Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission entnahmen wir, dass uns in nicht allzu ferner Zeit ein (komplett?) neues Umsatzsteuerrecht droht.

Die Europäische Kommission hat Anfang Oktober Pläne für eine große Reform des europäischen Umsatzsteuerrechts vorgelegt.

Zur Erinnerung:
Das jetzige Mehrwertsteuersystem wurde in Deutschland zum 1. Januar 1968 eingeführt, die jetzige Besteuerung von Reiseveranstaltern wurde zum 1. Januar 1980 eingeführt, das europäische Recht sollte in Deutschland zum 1. Januar 1978 eingeführt werden, das jetzige europäische Umsatzsteuerrecht ist auch schon ein Viertel Jahrhundert alt, und das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – wenn man so will, die erste Umsatzsteuer-Richtlinie – stammt aus dem Jahr 1967!

Durch die Neuregelung soll das System für Regierungen und Unternehmer gleichermaßen verbessert und modernisiert werden, denn insgesamt gehen angeblich jedes Jahr mehr als EUR 150 Milliarden an Umsatzsteuer verloren. Schätzungen zufolge verursacht alleine der grenzüberschreitende Betrug Umsatzsteuer-Einbußen von rund EUR 50 Milliarden.

Mit dem jetzigen Paket schlägt die Europäische Kommission vor, das derzeitige Umsatzsteuersystem grundlegend zu ändern, indem der Verkauf von Waren von einem EU-Land in ein anderes in gleicher Weise besteuert wird wie der Verkauf von Waren innerhalb desselben Mitgliedstaats. Damit wird ein neues und endgültiges Mehrwertsteuersystem für die EU geschaffen.

Dank einer geplanten zentralen Anlaufstelle wird es möglicherweise auch für grenzüberschreitend tätige Reiseveranstalter einfacher, ihren umsatzsteuerrechtlichen Pflichten nachzukommen. Alle Unternehmer können in einem einzigen Online-Portal in ihrer eigenen Sprache und nach den gleichen Regeln und administrativen Mustern wie in ihrem Heimatland Erklärungen abgeben und Zahlungen durchführen. Die Mitgliedstaaten leiten einander dann die Umsatzsteuer weiter, wie dies bei elektronischen Dienstleistungen bereits der Fall ist.

Es soll auch eine Umstellung auf das „Bestimmungslandprinzip“ erfolgen, bei dem die endgültige Umsatzsteuer stets in dem Mitgliedstaat des Endverbrauchers entrichtet wird und dem in diesem Mitgliedstaat geltenden Steuersatz entspricht.

Des Weiteren sollen die Vorschriften über die Rechnungslegung vereinfacht werden, so dass die Verkäufer auch bei grenzüberschreitendem Handel Rechnungen gemäß den Vorschriften ihres eigenen Landes stellen können. Diese Unternehmer müssen künftig keine Liste von grenzüberschreitenden Transaktionen („zusammenfassende Meldung“) für ihre Finanzbehörde mehr erstellen.

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht auch vor, dass Unternehmen als „zertifizierter Steuerpflichtiger“ anerkannt werden. Darunter werden dann vertrauenswürdige Unternehmer verstanden, die von einfacheren und zeitsparenden Vorschriften profitieren können.

Zudem wurden vier „schnelle Lösungen“ vorgeschlagen, die ab dem Jahr 2019 zur Anwendung kommen sollen. Diese von den Mitgliedstaaten ausdrücklich geforderten kurzfristigen Maßnahmen sollen dazu dienen, das derzeitige Umsatzsteuersystem bis zur Einführung der endgültigen Regelung zu verbessern.
Wie geht es weiter?

Der Vorschlag der Kommission wird nun den Mitgliedstaaten im Rat zur Zustimmung und dem Europäischen Parlament zur Stellungnahme vorgelegt. Die Kommission wird anschließend im Jahr 2018 einen detaillierten Vorschlag zur Änderung der sog. Mehrwertsteuer-Richtlinie vorlegen, damit die jetzt vorgeschlagene endgültige Mehrwertsteuerregelung reibungslos umgesetzt werden kann.

Unserer Kanzlei liegt bisher lediglich eine englische Fassung des Vorschlages der Europäischen Kommission vor. Sobald wir mehr erfahren, sobald wir absehen können, ob Änderungen für Reisebüros und Reiseveranstalter vorgesehen sind, werden wir darüber in unseren Kanzleiinformationen natürlich (wie wir uns kennen, sehr ausführlich) informieren.

Schon heute aber sollten Sie in Erinnerung behalten:
Es droht uns in Kürze ein (komplett?) neues Umsatzsteuerrecht!

Bonn, den 11. November 2017
verantwortlich für Redaktion und Inhalt: Steuerberater Heribert Kohl, Grootestrasse 97, 53121 Bonn