Zwischen Hochschule und Forschung - auf einen Kaffee mit Prof. Dr. Alexander Dingeldey

Prof. Dr.
Alexander Dingeldey

Adresse: Rohrerstrasse 19, AT-6280 Zell am See
Telefon: +43
E-Mail: an Prof. Dr. Alexander Dingeldey
Website: www.XXXXX.de

 

Lieber Alex, danke, dass Du Dir zwischen deinen Lehrstunden Zeit für einen virtuellen Kaffee mit mir genommen hast.
  1. Was hat dich dazu motiviert, Mitglied im ASR zu werden, und welche Vorteile siehst du in der Mitgliedschaft?
    Das wichtigste im asr sind die Menschen im gesamten Team. Man merkt, dass es allen um die Sache geht und wir schnell und produktiv viele Problemstellungen lösen können. Es gibt kurze Entscheidungswege und jeder kann seine unterschiedlichen Expertisen einbringen, um die schönste Branche der Welt noch schöner zu machen. Das besondere an der Branche ist, dass Kolleginnen und Kollegen auch zu echten Freunden werden.
  2. Du hast für den ASR schon verschiedene Studien durchgeführt. Welche Vorteile und Erkenntnisse haben diese Studien für die ASR-Mitglieder und ihre Unternehmen?
    Wissenschaft bedeutet für mich immer die praktische Anwendung. Das Motto ist „raus aus dem Elfenbeinturm“. Wir haben heute eine Vielzahl von Datenquellen aber auch ein großes Netzwerk an Expertinnen und Experten. Unser Ziel ist es „den Geist wieder in die Flasche zu bekommen“ und praktische Anwendungen und Erkenntnisse zu schaffen.

    Ein wichtiges Thema ist, wie wir von Außen gesehen werden: Speziell in Politik und allgemeinen Öffentlichkeit. Wir keine Klimakiller, Pandemietreiber und böse Massentouristen. Sehr gerne will ich aufzeigen, welche großen Vorteile unsere Branche für die Welt bringt.
  3. Aktuell steht der Mittelstand in der Tourismusbranche vor großen Herausforderungen. Was sind deiner Meinung nach die größten Hindernisse und Chancen?
    Wandel ist ja nichts Neues und man muss mit vielen Herausforderungen gleichzeitig klarkommen. Dazu gehören natürlich Demographie, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Manchmal entpuppen sich aber Risiken als Chancen – und umgekehrt. Viele der Themen hängen auch voneinander ab. So können wir durch den sinnvollen Einsatz von KI unsere Mitarbeitenden entlasten und den Druck auf den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften etwas reduzieren. Das wichtigste Problem ist, wie unsere Branche von Außen gesehen wird. Wir müssen Außenstehenden viel mehr die Vorteile von uns zeigen.
  4. Dein Engagement im Bereich Fachkräfte- und Nachwuchssicherung ist bemerkenswert. Welche Maßnahmen sind am effektivsten, um junge Talente für die Tourismusbranche zu gewinnen?
    Wir müssen zeigen, welchen Spaß die Arbeit in unserer vielfältigen Branche bietet. Dazu muss die Bezahlung aber auch fair und angemessen sein. Das ist oft leichter gesagt als getan: Die Inflation drückt auf die Marge und viele Kosten können nicht 1:1 auf die Gäste weitergegeben werden. Zudem kommen immer weitere Belastungen in Form von Steuern, Abgaben oder Dokumentationspflichten auf uns zu, die den Unternehmen die Luft zum Atmen nehmen.

    Am besten werben junge Menschen mit ihrer Erfahrung für unsere Branche – in den Medien, die von der Jugend genutzt werden. Dazu müssen wir auch langfristig Geld verdienen, um die gute Arbeit angemessen zu honorieren.
  5. Das Projekt „Tourismus – Deine Zukunft“ liegt dir besonders am Herzen. Welche Rolle spielst du darin und wie können Mitglieder davon profitieren?
    Das wichtigste Ziel ist es, jungen Menschen von der Arbeit in unserer Branche zu überzeugen. Einer der Schlüssel ist es, viele Akteure der Branche zusammenzubringen. Gemeinsam ist vieles leichter.
  6. Inwiefern können kleine und mittelständische Reiseunternehmen von den Erkenntnissen und Initiativen des Projekts „Tourismus – Deine Zukunft“ profitieren?
    Vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlt schlicht und ergreifend die Zeit und das Budget, viel in die Suche nach Nachwuchskräften zu investieren.

    Erkenntnis 1: Nur gemeinsam können wir etwas schaffen.
    Erkenntnis 2: Junge Menschen werben am besten für junge Menschen. Wir müssen uns trauen, den jungen Leuten etwas zuzutrauen.
  7. Interkulturelle Kompetenz ist im Tourismus unverzichtbar. Wie kann diese gefördert und in Unternehmen integriert werden?
    Das ist ein ganz großes und wichtiges Feld: Zum einen bilden wir unsere Kompetenz dadurch, dass wir möglichst viel unterwegs sind und mit offenen Augen durch die Welt gehen. Auf jeder Reise habe ich bisher immer etwas mitgenommen. Ein weiterer Aspekt ist das Erlernen von Fremdsprachen – neben den Worten und der Grammatik lernt man viel über die Kultur des Landes. Die größte Chance liegt aber in der Migration: Menschen mit Migrationshintergrund kennen mindestens zwei Kulturkreise und können als Brückenbauer der Kulturen dienen.
  8. Neue Technologien und digitale Lösungen bieten viele Chancen. Welche siehst du als besonders vielversprechend für die Zukunft der Tourismusbranche?
    Dabei ist es wichtig, sinnvolle Technologien für sich zu finden und zu nutzen. Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen. Mit Technologien ist es wie mit Essen: Man muss vieles ausprobieren, um herauszufinden, was einem schmeckt. Gerade KI erledigt heute schon viele unangenehme Aufgaben für uns. Allerdings muss man nicht jeden Hype mitmachen. Nicht jedes Kleinunternehmen braucht komplizierte und teure Systeme. Mittlerweile gibt es aber viele kostenfreie oder sehr günstige Werkzeuge, die uns das Arbeiten stark erleichtern.

    Wichtig sind in Bezug auf Technologie schnelle und solide Entscheidungen. Leider werden viele Entscheidungen auf die lange Bank geschoben und wir werden von anderen überholt.

    Aber: Persönliche Beratung und Service können nicht digitalisiert werden – sie können aber digital unterstützt und verbessert werden.
  9. Digitalisierung ist ein großes Thema. Welche Strategien empfiehlst du als Wissenschaftler, um diese in kleinen und mittelständischen Reiseunternehmen voranzutreiben?
    Systeme ausprobieren, sich eventuell mit anderen im Verband und der Branche zusammentun und Erfahrungen austauschen. Dabei ist es auch sehr wichtig, die Misserfolge zu teilen. Jeder redet nur über das, was funktioniert hat. Aber vielleicht hilft es, wenn man manche Fehler im Voraus vermeidet. Scheitern ist kein Makel: Wer nichts macht, macht auch nichts falsch. Wenn etwas schiefgeht: Aufstehen, Staub abklopfen, Krönchen richten, lächeln und weitergehen!
  10. Marketing- und Kommunikationsstrategien müssen inklusiv und zeitgemäß sein. Wie können Tourismusunternehmen dies sicherstellen?
    Die wichtigste Regel ist: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Dazu ist es wichtig, möglichst authentisch zu wirken. Am besten holt man sich eine direkte Rückmeldung aus der jeweiligen Zielgruppe. Nicht, dass man so endet wie ein schwäbischer Müsli-Hersteller, dessen Produkte mir aufgrund der Werbung nicht ins Haus kommen.

    Wichtig sind oft die guten Ideen und weniger die großen Budgets. Da erinnere ich mich noch an den „The Best Job in the World“ aus Queensland, Australien: Riesige Reichweite mit einem überschaubaren Budget. Auch wichtig ist, gute Ideen nicht einfach zu kopieren. „The Best Job“ funktioniert nicht in Kleinkleckerlesheim-Pusemuckel.

    Inklusion ist für mich seit vielen Jahren selbstverständlich. Nur wenn wir es selbst leben, können wir es auch kommunizieren. Sowohl bei Inklusion als auch bei Nachhaltigkeit gilt: Wir sind zwar niemals perfekt, bemühen uns aber immer, besser zu werden.
  11. Aus deinen bisherigen Studien und Projekten gibt es sicherlich erfolgreiche Beispiele, die in der Praxis umgesetzt wurden. Welche könnten als Modell für andere Unternehmen dienen?
    Ich hoffe, dass aus jeder Studie und jedem Workshop jeder sich einzelne Teile für sich selbst herausnehmen kann. Man lernt viel von anderen. Als ein wichtiges Projekt möchte ich Motravo hervorheben. Paul Kissel hatte die Idee der digitalen Beratungsunterstützung für seine Bachelorarbeit im Familienunternehmen. Die Idee ist es, persönlichen Service mit Technologie zu verknüpfen.
  12. Was möchtest du unseren Mitgliedern mit auf den Weg geben, um den Tourismus in ihren eigenen Unternehmen zu fördern?
    • Habt Spaß bei dem, was ihr tut!
    • Auch intensive und harte Arbeit muss am Ende Spaß machen!
    • Gebt diesen Spaß an die junge Generation weiter und gebt den jungen mehr Verantwortung.
    • Geht offen durch die Welt und findet neue Freunde und Kooperationspartner. Lieber gemeinsam reich als alleine arm. Mit Freunden arbeitet es sich am besten.
    • Macht die schönste Branche der Welt noch schöner.
    Wir sehen uns auf der nächsten Veranstaltung – gerne auch mit einem gehopften Kaltgetränk an der Bar!

Das Interview wurde im Juli 2024 durch asr Präsidentin Anke Budde durchgeführt. Herzlichen Dank an Tanja Bauer-Glück für das nette Gespräch.