Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
in unserer heutigen Kanzleiinformation „Reiserecht“ wollen wir auf zwei höchstrichterliche Urteile hinweisen, die zwar schon vor geraumer Zeit veröffentlicht wurden, die wir aber in unseren Kanzleiinformationen noch nicht aufgegriffen haben:
1. Bemessung der Stornopauschale beim Reisevertrag
(1) Der Reiseveranstalter kann eine Reiseleistung, die Gegenstand eines Reisevertrags sein sollte, von dem der Reisende zurückgetreten ist, nur dann durch die erneute Buchung der gleichen Reiseleistung durch einen anderen Reisenden anderweitig verwenden, wenn er die weitere Nachfrage nach der Reiseleistung ohne den Rücktritt mangels freier Kapazität nicht hätte befriedigen können.
(2) Den Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der gewöhnlichen Möglichkeit anderweitiger Verwendung von Reiseleistungen, die Gegenstand stornierter Reiseverträge waren, bilden Erfahrungswerte, die hinreichend verlässlich Auskunft darüber geben, wie sich die typische Nachfrage nach einer diese Reiseleistungen umfassenden Reise darstellt. Wird die Reiseleistung im Rahmen unterschiedlicher Reisen angeboten, darf die Betrachtung weder auf willkürlich gewählte Reiseangebote beschränkt werden, noch ist stets ohne Weiteres eine Durchschnittsbetrachtung zulässig. Die Erfahrungswerte müssen vielmehr repräsentativ für die Gesamtheit der Reisen sein, die der Reiseveranstalter in der jeweiligen Kategorie oder Preisklasse anbietet.
Was war geschehen?
Der Beklagte ist Reiseveranstalter und bietet u.a. Kreuzfahrten in den Tarifen Premium, Vario und Just an. Er verwendet Reisebedingungen, die unter Nr. 7.2 für den Fall des Rücktritts des Kunden eine von diesem zu leistende pauschale Entschädigung vorsehen, die nach den jeweiligen Tarifen und dem Tat des Rücktritts gestaffelt ist.
Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände beanstandet die Regelung für den Tarif Just, die im Fall des Rücktritts bis zum 60. Tag vor Reisebeginn eine pauschale Entschädigung pro Person von 50 % (mindestens EUR 50 pro Person) des Reisepreises vorsieht. Der Tarif Just dient der Vermarktung von Reisen zu einem gegenüber den anderen Tarifen stark ermäßigten Preis.
Dabei gibt es für die Buchung zwei Varianten. Entweder nennt der Reisende einen ungefähren Reisetermin und überlässt dem Reiseveranstalter die Wahl von Schiff, Reiseziel und Route oder er bestimmt das (ungefähre) Reiseziel und lässt dem Reiseveranstalter einen größeren Spielraum bei der Auswahl des Reisetermins. Die Reiseunterlagen mit dem genauen Abfahrtstermin und weiteren Angaben zur Reise erhält der Reisende spätestens 14 Tage vor der Abreise.
Es ging durch die Instanzen:
– Das LG Rostock hat den Reiseveranstalter verurteilt,
– das OLG Rostock hat die Berufung des Reiseveranstalters hiergegen zurückgewiesen.
– die vom OLG Rostock zugelassene Revision des Reiseveranstalters zum BFH führte zur Aufhebung und zur Zurückverweisung an das OLG (BGH, Urt. v. 3.11.2015).
Aber: siehe unten bei den „Anmerkungen“.
2. Verlangen vollständiger Flugpreiszahlung bereits mit Vertragsabschluss
(1) Die Vereinbarung einer Verpflichtung des Fahr- oder Fluggasts, das Beförderungsentgelt bei Vertragsschluss zu entrichten, widerspricht nicht wesentlichen Grundgedanken des Rechts des Personenbeförderungsvertrages.
(2) Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Luftverkehrsunternehmens, nach der der Flugpreis unabhängig vom Zeitpunkt der Buchung bei Vertragsschluss zur Zahlung fällig ist, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes dar.
Was war geschehen?
Die beklagte Fluggesellschaft ermöglicht Flugbuchungen u.a. über das Internet und verwendet dabei eine Buchungsmaske mit folgendem Inhalt:
„Ihre Zahlweise. Entscheiden Sie sich hier, ob Sie die Buchung sofort bezahlen möchten oder ob Sie sich die Flüge und Preise bis zu 48 Stunden reserviert halten möchten.
> Jetzt bezahlen
> Reservierung mit Preisgarantie
Bitte beachten Sie: Die Buchung muss innerhalb von 48 Stunden aktiv bestätigt und bezahlt werden, (…).“
Der klagende Verbraucherschutzverband sieht hierin eine Beförderungsbedingung in Luftverkehr, welche unabhängig von der Höhe des Ticketpreises oder dem zeitlichen Abstand zwischen Buchung und Flugantritt die Verpflichtung zur vollständigen Bezahlung des Flugpreises bereits unmittelbar nach Abschluss des Luftbeförderungsvertrags begründet. Die Klage des Verbraucherschutzverbandes gegen die Fluggesellschaft ist auf Unterlassung der Verwendung dieser Vorauszahlungsregelung gegenüber Verbrauchern und Erstattung der Abmahnkosten nebst Zinsen gerichtet.
Es ging durch die Instanzen:
– Vor dem LG Köln hat der klagende Verbraucherschutzverband keinen Erfolg,
– auch vor dem OLG Köln hatte der klagende Verbraucherschutzverband keinen Erfolg. Das OLG Köln ließ aber die Revision des Verbraucherschutzverbandes zum BGH zu.
– Auch vor dem BGH hatte der klagende Verbraucherschutzverband keinen Erfolg (BGH, Urt. v. 16.2.2016).
Beide Urteile wurden vor geraumer Zeit auch in der juristischen Literatur veröffentlicht.
Beide Urteile wurden versehen mit interessanten, wissenswerten, verständlichen und kurzen A n m e r k u n g e n
zu 1. In NJW 2016, S. 1510/1511 wird die erste Entscheidung des BGH, über die wir heute berichten, vom bekanntem Reiserechtler Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel, Wiesbaden, kommentiert und erörtert.
zu 2. In NJW 2016, S. 2407 wird die zweite Entscheidung des BGH, auf die wir heute hinweisen, vom ebenfalls bekannten Reiserechtler Prof. Dr. Klaus Tonner, Rostock, kommentiert und erläutert.
Bonn, den 28. Januar 2017
verantwortlich für Redaktion und Inhalt: Steuerberater Heribert Kohl, Grootestrasse 97, 53121 Bonn