Im Jahr 2008 wurde das Gewerbesteuergesetz geändert, insbesondere in § 8 GewStG. Seit dieser Zeit werden angemietete Objekte, z.B. Büros, Ladenflächen, Produktionsflächen der Gewerbesteuer hinzugerechnet. Finanzbehörden aus Nordrhein-Westfalen kamen aber auf die Idee, dass auch Reisevorleistungen (z. Bsp. Unterkunftsleistungen, Flüge, Kabinen auf Kreuzfahrtschiffen etc.) eines Reiseveranstalters der Gewerbesteuer hin-zugerechnet werden könnten und verfahren entsprechend. Dieser Handlungsweise hat der damalige Bundes-Wirtschaftsminister Siegmar Gabriel in einem Gespräch am 4.6.2015 im Tourismusausschuss des Bundestages ausdrücklich widersprochen und ausgeführt, dass es zu keiner Zeit beabsichtigt gewesen sei, die Reisebranche mit in die Hinzurechnung einzubeziehen. Dies ergäbe sich auch daraus, dass die Reisebranche im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht zu einer Anhörung geladen worden sei.
Der Einkauf von Hotelbetten, egal wo auf der Welt, der dem Reiseveranstalter lediglich das Recht einräumt eine bestimmte Anzahl von Hotelbetten in einem bestimmten Hotel zu belegen, ohne hierüber eine direkte Einflussnahme zu haben, wird nun wie Anlagevermögen bewertet. Dies führt zu einer Steuerquote von bis zu 125 % und ist für die kleinen und mittelständischen Reiseveranstalter ruinös. Während die großen Reiseveranstalter, wie TUI und Thomas Cook, ihre Einkaufsabteilungen ins Ausland verlagern und somit dieser Steuer entgehen können, sind die kleinen und mittelständischen Reiseveranstalter orts-gebunden, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zahlen örtlich ihre Steuern. Sollten die bereits ergangenen oder ergehenden Steuerbescheide vollstreckt werden, müssen diese Reiseveranstalter Insolvenz anmelden. Der Verlust von 10.000 bis 20.000 Arbeitsplätzen wäre die Folge. Dies hat auch Auswirkungen auf Ihre Urlaubsplanung. Hotelportale und Reiseveranstalter mit Sitz im Ausland unterliegen nicht der Gewerbesteuerhinzurechnung. Aufgrund der Internationalisierung kann die Steuermehrbelastung nicht ohne weiteres auf den Reisepreis aufgeschlagen werden.

Frage:
Werden Sie sich als Mitglied des Deutschen Bundestages dafür einsetzen, dass eine Klarstellung des § 8 GewStG erfolgt, wonach der Einkauf von Hotelbetten, die in fremdem Eigentum sind und worüber der Reiseveranstalter keine Verfügungsgewalt hat, nicht der Gewerbesteuerhinzurechnung unterliegen und dies auch für die Vergangenheit gilt?

Antwort CDU

CDU und CSU sehen die geltende Regelung kritisch. Sie gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Reiseindustrie und zahlreiche Arbeitsplätze. In der laufenden Legislaturperiode konnte keine Einigung zur Abschaffung der gewerblichen Hinzurechnungen bei Reiseleistungen erzielt werden. CDU und CSU wollen jedoch in der kommenden Legislaturperiode einen neuen Anlauf dazu starten, um eine unnötige Belastung der Tourismuswirtschaft zu verhindern und Rechtssicherheit zu schaffen.

Antwort SPD

Die SPD tritt für stabile Gewerbesteuereinnahmen zugunsten der Kommunen ein und hält deshalb an den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen von Zinsen, Mieten, Pachten und Lizenzgebühren fest.
Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass Hotelmietaufwendungen von Reiseveranstaltern bei der Ermittlung des Gewerbeertrags anteilig hinzuzurechnen sind. Der Hinzurechnungsumfang bemisst sich nach einem pauschal ermittelten Finanzierungsanteil in den Mieten von 50 Prozent, der aber nur zu 25 Prozent in die Hinzurechnung eingeht. Bei einem Hebesatz von 400 Prozent beträgt die Gewerbesteuerbelastung einer Mietzahlung 1,75 Prozent. Eine Hinzurechnung erfolgt außerdem nur soweit die Summe der Hinzurechnungen den Hinzurechnungsfreibetrag von 100.000 Euro übersteigt. Aufgrund dieses Hinzurechnungsfreibetrags sind vor allem kleine Reiseveranstalter kaum betroffen. Das Finanzgericht Münster hat in seinem Zwischenurteil vom 4. Februar 2016 die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Hotelmietaufwendungen von Reiseveranstaltern bestätigt. Es stellte dabei fest, dass die vom Reiseveranstalter abgeschlossenen Verträge Mietverträge darstellen und dass es sich bei den überlassenen Hotelzimmern um fiktives Anlagevermögen handelt.
Über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Hotelmietaufwendung kann erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens entschieden werden.

Antwort Bündnis 90/Die Grünen

Die Tourismusbranche braucht vor allen Dingen Planungs- und Rechtssicherheit. Reiseveranstaltern ist nicht zuzumuten über Jahre hinweg Rückstellungen für drohende Nachzahlungen zu bilden, welche sie je nach Ausgang des Mustergerichtsverfahrens schon Jahre früher für dringend benötigte Investitionen hätten verausgaben können. Die künftige Bundesregierung muss sich hier zu einer angemessenen, klaren und für alle Branchen fairen gesetzliche Regelung bekennen.

Antwort Die Linke

Die heutige Ausgestaltung der Gewerbesteuer ist ungerecht. DIE LINKE. will die bisherige Gewerbesteuer in eine
Gemeindewirtschaftsteuer umwandeln. Die Bemessungsgrundlage soll ausgeweitet werden, indem auch Pachten, Mieten, Leasingraten und Lizenzgebühren berücksichtigt werden. Ebenso sollen gutverdienende Selbstständige und Freiberufler einbezogen werden. Kleine (Reise-)Unternehmen hingegen wollen wir steuerlich entlasten. Dafür werden wir den Freibetrag auf 30.000 Euro anheben und die festgesetzte Steuer bei der Einkommensteuer berücksichtigen. Die Gewerbesteuerumlage wird abgeschafft, was Städte und Gemeinden finanziell entlastet. Von den Mehreinnahmen der Kommunen profitiert auch die touristische Infrastruktur, beispielsweise durch schönere und gepflegtere Innenstädte, bessere Zufahrtswege und mehr Barrierefreiheit.

Antwort FDP

Ja. Für uns ist die unkomplizierte Darbietung von Reiseverkehrsleistungen durch die mittelständisch geprägte Reiseverkehrsbranche in Deutschland maßgeblich. Der „Einkauf“ von fremden Hotelbetten ist eine unternehmerische Serviceleistung und darf nicht der Gewerbesteuerhinzurechnung unterliegen. Wir werden uns diesbezüglich für eine Klarstellung einsetzen.