Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
mit der Aussendung unserer Kanzleiinformationen vom 3.6.2017 übersandten wir Ihnen auch eine überarbeitete Tabelle über die „Anhängigen bzw. abgeschlossenen Verfahren wegen der Rechtmäßigkeit der GewSt-Hinzurechnungen“. Auf dieser Tabelle (Stand: 19. Mai 2017) haben wir oben auf der rechten Seite durch drei senkrechte Balken markiert, welche neuen Entscheidungen, welche Verfahrensfortsetzungen wir in diese geänderte Tabelle aufgenommen haben.
Dort finden Sie unter Tz. 2 auch einen Hinweis auf die Entscheidung des BFH vom 8.12.2016, die sich mit einer Vorentscheidung des FG Niedersachsen vom 26.5.2011 (!) befasst. Diese Entscheidung des BFH ist wenig erfreulich, sie macht uns nachdenklich, sie hat (obwohl die Entscheidung eine andere Branche betraf) möglicherweise nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Frage der Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer auch bei Reisebüros und insbesondere bei Reiseveranstaltern.
Deshalb wollen wir uns mit dieser Entscheidung des BFH, wenn auch nur relativ kürz, etwas näher befassen. Der BFH entschied:
(1) Für die Zuordnung eines gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsguts zum fiktiven Anlage- oder Umlaufvermögen wird bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung das Eigentum des Mieters oder Pächters voraussetzungslos fingiert.
(2) Die Kurzfristigkeit der Anmietung einer Immobilie oder ein häufiger Wechsel angemieteter Immobilien und deren unterschiedliche Größe und Nutzbarkeit stehen der Annahme fiktiven Anlagevermögens bei dem Mieter nicht entgegen.
Was war geschehen?
Ein Unternehmer veranstaltete Konzerte und mietete hierfür verschiedene Immobilien wie Theater, Konzertsäle, Stadien und Arenen an. Im Streitjahr 2009 betrug die Mietdauer regelmäßig einen Tag, in Ausnahmefällen bis zu acht Tagen. Der Unternehmer mietete 13 verschiedene Objekte rund 160 mal an.
Das FA nahm in dem Gewerbesteuer-Messbescheid für 2009 eine Hinzurechnung der vom Unternehmen gezahlten Miet- und Pachtzinsen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags vor. Der vom Unternehmer hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos, die Klage wurde beim FG Niedersachsen als unbegründet abgewiesen.
Dieses Verfahren vor dem BFH war zunächst bis zum Abschluss des Normenkontrollverfahrens beim BVerfG ausgesetzt. Das BVerfG hat diese Vorlage durch Beschluss vom 15.2.2016 als unzulässig verworfen, so dass der BFH das Revisionsverfahren erneut aufnehmen und entscheiden konnte.
Anmerkung: Über das Verfahren vor dem BVerfG haben wir in unseren Kanzleiinformationen ausführlich berichtet.
Wie wurde entschieden?
Der BFH schloss sich dem FG Niedersachsen an und wies die Revision des Unternehmers zurück. Nach dem GewSt-Gesetz sind hinzurechnungspflichtig die „Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen“. Dass damit nicht das bilanzielle Anlagevermögen gemeint ist, liegt auf der Hand, denn der Mieter bilanziert den Mietgegenstand nicht.
Entsprechend seiner früheren Rechtsprechung entschied der BFH daher, dass für die Frage, ob ein angemieteter Gegenstand Anlagevermögen ist, darauf abzustellen sei, ob die Wirtschaftsgüter Anlagevermögen des Mieters wären, wenn er ihr Eigentümer wäre. Anlagevermögen sind Gegenstände, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Betrieb zu dienen. Hierunter fallen die zum Gebrauch im Betrieb und nicht zum Verbrauch oder Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter. Ein Gegenstand, der zur Vermietung bestimmt ist, gehöre damit grundsätzlich zum Anlagevermögen, es sei denn, die Vermietung dient nur dem Zweck, den Gegenstand anschließend dem Mieter auch zu verkaufen. Anlagevermögen liege folglich auch dann vor, wenn die Wirtschaftsgüter zur Erzielung von Einkünften an eine weitere Person vermietet werden, also in den Fällen der Zwischenvermietung.
Im Streitfall stellte sich zusätzlich die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn die Weitervermietung über einen sehr kurzen Zeitraum erfolgt (wie es ja bei Hotelzimmern beim Reiseveranstalter sehr wohl der Fall sein kann).
Auch dies bejahte der BFH. Für die Zuordnung zum fiktiven Anlagevermögen sei nicht die Dauer der tatsächlichen Benutzung, sondern der Umstand maßgeblich, ob der Unternehmer die Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb hätte Vorhalten müssen. Davon sei grundsätzlich auch bei einem Konzertveranstalter auszugehen. Einen Sonderfall hatte der I. Senat des BFH lediglich bei einer Durchführungsgesellschaft erkannt, die aufgrund auftragsbezogener Weisungen eines Auftraggebers bestimmte (Messe-)Flächen angemietet hatte, die sie angesichts der Zufälligkeit der Auswahlentscheidung des Auftraggebers nicht ständig hätte Vorhalten können (s. hierzu unsere Kanzleiinformation „GewSt 2017“ Nr. i vom 14.1.2017).
Von der Verfassungswidrigkeit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung war der BFH schließlich ebenso nicht überzeugt, weshalb er von einer Vorlage an das BVerfG absah. Die Hinzurechnung sei nach Meinung des BFH folgerichtiger Ausfluss des Konzepts einer ertragsorientierten Objektsteuer.
Was will uns das alles sagen?
Die Hoffnungen, der BFH würde der Hinzurechnung bei der Gewerbesteuer Grenzen zu Gunsten der Unternehmer aufzeigen, sind mit dieser Entscheidung (und einer am selben Tag ergangenen Parallelentscheidung) enttäuscht worden. Die aktuellen Urteile des BFH entsprechen im Wesentlichen der Rechtsprechung zum früheren GewSt-Gesetz. Sie liegen darüber hinaus auch auf der Linie der Finanzverwaltung (gleichlautende Erlasse vom 2.7.2012; wir berichteten ausführlich und fast wörtlich), weshalb mit einer zügigen Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil II zu rechnen ist.
Bonn, den 24. Juni 2017 (Stand: 16.6.2017)
verantwortlich für Redaktion und Inhalt: Steuerberater Heribert Kohl, Grootestrasse 97, 53121 Bonn