Wie bewerten Sie den Entwurf der Pauschalreise-Richtlinie insgesamt?
Wir bedanken uns bei den Verantwortlichen der EU für den Entwurf zur Überarbeitung der Pauschalreise-Richtlinie und freuen uns, dass einige unserer Forderungen berücksichtigt wurden.
Allerdings gibt es nach erster Einschätzung auch Punkte, deren Umsetzung realitätsfremd erscheint und die nicht an die aktuellen Marktbedingungen angepasst sind. Bedauerlicherweise konnten wir nicht mit allen Hinweisen zur Änderung des Gesetzes, die speziell für die mittelständische Tourismuswirtschaft entscheidend sind, Gehör finden.
Der große Schrecken, der durch Gerüchte über weitreichende Änderungen entstanden war, ist jedoch ausgeblieben. Die Änderungen sind allerdings weiter hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Aktuell beraten wir den Entwurf mit unseren Gremien, was in der Detailanalyse noch etwas Zeit benötigen wird. Wir werden uns als Verband die Zeit nehmen für eine qualitative Stellungnahme, und keine schnellen Einschätzungen vornehmen.
Was sehen Sie als positiv, was als negativ an?
Wir sind dankbar, dass einige der Eingaben, die der ASR zur Überarbeitung des Gesetzes gemacht hat, aufgenommen wurden. Insbesondere die Anhebung der Anzahlungen auf 25% und die Möglichkeit, bei Nachweis höherer Kosten weiterhin höhere Anzahlungen zu berechnen, ist ein wichtiger Fortschritt. Diese Flexibilität bietet den Unternehmen mehr finanzielle Sicherheit.
Ebenfalls positiv ist die Regelung, dass im B2B-Bereich Partner innerhalb von 7 Tagen Erstattungen vornehmen müssen. Dies könnte innerhalb der EU funktionieren. Auch die Möglichkeit, Gutscheine an Kunden auszugeben, ist ein begrüßenswerter Schritt, da es den Unternehmen alternative Möglichkeiten im Umgang mit Rückvergütungen bietet und zur Kundenbindung beitragen kann.
Auf der anderen Seite gibt es einige Bedenken: Die 7-Tage-Erstattungsfrist im B2B-Bereich scheint über die EU-Grenzen hinaus schwer umsetzbar und könnte bei internationalen Partnern zu Schwierigkeiten führen. Daher bleibt die Notwendigkeit, den Umgang mit Erstattungen in jedem Unternehmensvertrag individuell zu regeln.
Die Regelung zu Gutscheinen könnte in der Praxis überflüssig sein, da die Entscheidungsfreiheit des Kunden bereits besteht. Schließlich birgt der Punkt „verbundene Reiseleistung“ das Risiko, dass Reisebüros ungewollt in eine Haftung als Reiseveranstalter geraten. Die 3-Stunden-Regel ist hier problematisch und könnte zu ungewollten Pauschalreisen führen, was für Reisebüros einen unnötigen bürokratischen Aufwand und die Notwendigkeit zum Abschluss einer Insolvenzabsicherung bedeuten könnte, obwohl diese vom Ursprung nicht für Vermittler vorgesehen ist.
Wie beurteilen Sie den Regelungsentwurf der Vorauszahlungen?
Der ASR hat in allen Gesprächen und Eingaben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Vorauszahlungen erhalten bleiben müssen. Dass diese nun auf 25% erhöht wurden, zeigt uns, dass unsere Erklärungen zu den Abläufen im B2B-Bereich angekommen sind und verstanden wurden. Dies ist ein positives Zeichen dafür, dass die spezifischen Bedürfnisse und Funktionsweisen unserer Branche bei der Gestaltung des Regelungsentwurfs berücksichtigt wurden.
Inwiefern finden Sie sich als Verband in ihren Forderungen im Entwurf wieder?
Inwiefern finden Sie sich als Verband in ihren Forderungen im Entwurf wieder?
a. Bei den Besonderheiten unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände, wie in §651 h BGB festgelegt, zeigt die Covid-19-Pandemie auf, dass die aktuelle Regelung zu großen Problemen führt. Wir setzen uns dafür ein, dass bei Stornierung einer Reise, die keiner der Vertragspartner verschuldet hat, die Lasten nicht einseitig bei den Reiseveranstaltern liegen dürfen. Daher ist eine Beteiligung des Kunden am Schaden notwendig, sei es durch ein Stornierungsentgelt oder eine prozentuale Beteiligung am Reisepreis.
b. Des Weiteren setzen wir uns für die Aufnahme einer Ausschlussfrist bei Reklamationen ein. Aktuell verjähren diese nach zwei Jahren, was für Reiseveranstalter problematisch ist, da es schwierig ist, die bemängelten Reiseleistungen nach so langer Zeit nachzuvollziehen. Eine Ausschlussfrist von bis zu drei Monaten wäre kundenfreundlich und umsetzbar.
c. Bezüglich der Transparenz der Insolvenzabsicherung sehen wir Handlungsbedarf. Reiseveranstalter sind verpflichtet, Sicherungsscheine auszugeben, doch die aktuelle Situation, verschärft durch die Corona-Krise, führt zu Unsicherheiten. Wir setzen uns für die Schaffung eines europäischen Registers ein, in dem sich Verbraucher über die Insolvenzabsicherung eines Reiseveranstalters informieren können.
Wie stehen Sie zu den weiteren Aspekten des Entwurfs?
Wird mit dem Entwurf das Produkt Pauschalreise gestärkt oder eher nicht?
Zu den weiteren Aspekten des Entwurfs kann ich nach aktuellem Stand noch keine ausführliche und abschließende Antwort geben. Wir befinden uns momentan noch in der Phase der Bewertung des Entwurfs, und es steht fest, dass dazu noch einige Gespräche notwendig sein werden. Sobald wir eine umfassendere Einschätzung haben, werden wir diese gerne teilen.
Abschließend möchten wir nochmals betonen, wie essenziell es ist, die Strukturen des mittelständischen Tourismus zu stärken und zu erhalten. Dieser Sektor ist das Rückgrat unserer Branche und trägt wesentlich zur Vielfalt und Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus bei. Es ist daher von größter Bedeutung, dass wir durch unsere Gesetzgebung diese wertvollen Strukturen unterstützen und nicht durch überfordernde Gesetze schwächen. Nur so können wir sicherstellen, dass der mittelständische Tourismus auch in Zukunft eine tragende Rolle in unserer Wirtschaft und Gesellschaft spielt.